Sind Ihre Klientinnen und Klienten defensiv? Wenn ja, könnte Selbstbestätigung helfen.

Peter Harris und Ian Hadden, The Self-Affirmation Research Group, School of Psychology, University of Sussex, UK

Waren Sie jemals zögerlich sich einer Sache zu stellen, die Sie lieber ignorieren würden? Vielleicht Ihre Vorlieben für etwas, das schlecht ist für Sie, wie zu oft zu essen oder auch die Tendenz Gesundheits-Checks zu vermeiden? Nun, Sie sind nicht allein. Die meisten von uns denken, dass wir im Allgemeinen sehr vernünftige und kompetente Personen sind. Es kann also eine ziemliche Herausforderung sein, wenn uns jemand sagt, dass etwas, was wir tun nicht wirklich sinnvoll oder kompetent ist. Infolgedessen können wir ziemlich geschickt darin sein, Botschaften zu widerstehen, die wir lieber nicht hören wollen.

Leider kann der Widerstand gegen Mitteilungen über gesundheitliche Risiken – wie z.B. die Auswirkungen von Übergewicht oder Rauchen oder von Nichteinhaltung eines Medikamentenschemas – schwerwiegende Folgen für die Lebensqualität und –dauer haben. Wie  können Sie nun Klientinnen und Klienten helfen Gesundheitsmitteilungen aufzunehmen, die sie lieber ignorieren würden? Eine Technik, die als Selbstbestätigung (self-affirmation) bekannt ist, könnte helfen.

Die Selbstbestätigung ist ein Vorgang, der jemandem hilft sich selbst zu versichern, dass er oder sie eine gute und kompetente Person ist. Dies reduziert das Bedürfnis, sich vor einer gesundheitsbezogenen Mitteilung zu schützen, die andeutet nicht gesund zu sein. Dies wiederum hilft der Person die Mitteilung objektiver zu behandeln und sich auf ihre persönliche Relevanz und Auswirkungen zu konzentrieren. Erneut kann dies die Person ermutigen Schritte zu unternehmen, um dem Risiko entgegenzuwirken. Mehr über die Theorie der Selbstbestätigung erfahren Sie hier.

Fast alles eignet sich als Selbstbestätigung, einschliesslich der Erinnerung an gute Taten, besondere Talente, Charakterstärken oder wichtige soziale Beziehungen. Die derzeit am besten erforschte Technik zur Herbeiführung von Selbstbestätigung ist eine Wertebestätigung (values affirmation), bei der Personen Fragen beantworten oder über ihre wichtigsten Werte schreiben, wie zum Beispiel grosszügig oder ehrlich zu sein.

Der Beweis, dass Selbstbestätigung funktionieren kann, stammt aus experimentellen Studien. Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die zur Selbstbestätigung aufgefordert wurden (oft nur einmal), neigen dazu, Gesundheitsbotschaften mehr zu glauben und fühlen sich häufiger bereit, sich zu verändern als Personen, die nicht aufgefordert wurden. Selbstbestätigungen haben auch einige Monate später zu Verhaltensänderungen geführt. Vorteile der Selbstbestätigung wurden für ein breites Spektrum von Gesundheitsverhalten festgestellt, darunter Alkoholkonsum, Zigaretten rauchen, unsicherer Sex, Verzehr von Quecksilber im Fisch, Doping beim Sport, Obst- und Gemüsekonsum, körperliche Aktivität, Benutzung von Zahnseide und Sonnenschutz. Einige Studien haben ergeben, dass die Effekte sogar bei denjenigen am stärksten sein können, die am schwersten zu beteiligen sind, wie z.B. Personen, die am meisten trinken oder rauchen oder sich gerne bräunen.

Die bisherige Arbeit bestand hauptsächlich in der Präventionsforschung bei jungen, gesunden Stichproben, aber es gab auch einige Studien mit Patientinnen und Patienten. Beispielsweise zeigten Patientinnen und Patienten mit Blutdialyse, die gebeten wurden sich an vergangene Freundlichkeiten zu erinnern, in den folgenden 12 Monaten eine verbesserte Phosphatkontrolle und eine bessere Einhaltung der empfohlenen Flüssigkeitsaufnahme als diejenigen, die dies nicht taten. Afroamerikanische Patientinnen und Patienten mit hohem Blutdruck zeigten eine verbesserte Einhaltung der Medikamenteneinnahme nach Erhalt einer Intervention, die eine Selbstbestätigung beinhaltete.

Wie könnten Sie also die Selbstbestätigung in der Praxis nutzen? Betrachten wir eine Beratungssitzung, in der Sie eine gesundheitsbezogene Botschaft vermitteln möchten, die Ihre Klientin oder Ihren Klienten herausfordern könnte, z.B. über die schädlichen Auswirkungen des Rauchens oder der Nichteinnahme der Medikamente wie vorgeschrieben. Wenn Sie 5-15 Minuten Zeit haben und die Lese- und Schreibfähigkeit kein Thema ist, können Sie zu Beginn der Konsultation eine einfache Übung zur Bestätigung der Selbstwerte versuchen. Sie könnten Ihre Klientin oder Ihren Klienten bitten privat über seinen wichtigsten Selbstwert zu schreiben oder zu sprechen und warum dieser für sie/ihn wichtig ist. Oder Sie können sie oder ihn bitten einige Fragebogen auszufüllen, die sie/ihn an ihre/seine Werte erinnern. Sobald sie dies getan haben, können Sie dann die gesundheitsbezogene Mitteilung über die Risiken des Rauchens oder der Nichteinhaltung der Medikamenteneinnahme übermitteln.

Wenn die Zeit oder die Lesefähigkeit ein Thema sind, wird häufig ein kurzer Freundlichkeitsfragebogen verwendet, um Selbstbestätigung zu erzeugen. Einige andere kurze Techniken wurden ebenfalls kürzlich entwickelt. Dazu gehören Versuche wie die Reduktion der Wertebestätigung auf wenige Schlüsselsätze, die Verwendung von Wertfragebögen, die Integration der Bestätigung in die Mitteilung, oder Personen zu helfen die Absicht zu entwickeln, sich bei Bedrohung selbst zu bestätigen. Diese wurden jedoch bisher bestenfalls nur in wenigen Studien eingesetzt und wir wissen wenig darüber, wie gut sie funktionieren.

Einige dieser Manipulationen finden Sie auf der Ressourcenseite unserer Website der Self-Affirmation Research Group (SARG) von der University of Sussex (auf Englisch). Wir beraten Sie gerne über diese und andere Selbstbestätigungstechniken, wenn Sie dies in Betracht ziehen möchten.

Hinweise für die Praxis

1) Wann sollte ich die Verwendung von Selbstbestätigung in Betracht ziehen?

Erwägen Sie die Verwendung von Selbstbestätigung, wenn Sie einer Klientin oder einem Klienten eine wichtige Botschaft über ihre/seine Gesundheit übermitteln müssen, von der Sie denken, dass sie/er geneigt sein könnte, sie zu ignorieren oder abzulehnen. In diesen Fällen kann die Selbstbestätigung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie/er die Botschaft annimmt und geeignete Massnahmen ergreift.

2) Wie kann ich die Selbstbestätigung am besten in der Praxis einsetzen?

Es ist wahrscheinlich das Beste, die Selbstbestätigung dann zu nutzen, wenn man im Einzelsetting oder in kleinen Gruppen arbeitet und einem die Zeit zur Verfügung steht. In diesen Fällen können Sie für die Übermittlung einer gesundheitsbezogenen Mitteilung eine der erprobten Methoden zur Bestätigung von Werten voranstellen. Auf der Ressourcenseite der SARG-Website finden Sie Beispiele für Materialien in englischer Sprache, die Sie verwenden können.

Besprechen Sie mit Ihrer Klientin oder Ihrem Klienten, ob sie/er die Bestätigung lieber privat oder mit Ihnen vor Ort machen möchte. Versuchen Sie, sie/ihn zu ermutigen sich für die Selbstbestätigungsübung zu entscheiden, anstatt sie/ihn dazu zu verpflichten. Es gibt einige Hinweise darauf, dass die Wahlfreiheit wichtig sein kann, um die Intervention wirksam zu machen.

3) Worauf sollte ich besonders achten?

Stellen Sie sicher, dass Ihre gesundheitsbezogene Mitteilung überzeugend ist. Die Selbstbestätigung sollte Ihre Klientinnen und Klienten ermutigen vorurteilsfrei zu sein, was bedeutet, dass sie eher eine starke Botschaft annehmen, aber auch eher eine schwache Botschaft ablehnen.

Verwenden Sie die Selbstbestätigung bei Klientinnen und Klienten, von denen Sie überzeugt sind, dass sie sich ansonsten gegen Ihre Botschaft wehren werden. Es gibt einige Hinweise darauf, dass Selbstbestätigung nicht funktionieren oder sogar kontraproduktiv sein könnte, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gar nie defensiv waren.

Im Zweifelsfall sollten Sie sich Rat suchen – wir sind für Sie da.

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