Gesund bleiben am Arbeitsplatz durch Job Crafting   

  

von Janne Kaltiainen und Jari Hakanen, Finnish Institute for Occupational Health, Finnland

Welche Aspekte meiner Arbeit empfinde ich als motivierend, ansprechend und besonders förderlich für mein Wohlbefinden? Was kann ich tun, um mehr von diesen Dingen in meine Arbeit einzubinden? 

Eine Pflegefachperson mit viel Berufserfahrung und Fachwissen begann sich diese Fragen zu stellen als sie sich bei der Arbeit gestresst, ein wenig gelangweilt und festgefahren fühlte. Die Antworten auf diese Fragen führten dazu, dass sie begann, einige ihrer jüngeren Kolleg*innen als Mentorin zu begleiten. Dies half ihr sich in ihrer Arbeit kompetenter und ihren Kolleg*innen verbundener zu fühlen und wieder einen Sinn in ihrer täglichen Routine zu finden. Diese kleine Änderung ihrer Arbeitsaufgaben verbesserte ihr berufliches Wohlbefinden und, was besonders wichtig ist, beeinträchtigte nicht den Gesamtbetrieb und die Effizienz des Krankenhauses. Vielmehr fühlten sich ihre Kolleg*innen durch das Mentoring besser unterstützt und die allgemeine Arbeitsatmosphäre verbesserte sich.

Was ist Job Crafting?

Dieses Beispiel ist eine der zahlreichen und einfachen Möglichkeiten, wie Mitarbeitende ihre Arbeit gestalten können. Der Prozess, den diese Pflegefachperson durchführte, ist ein Beispiel für “Job Crafting“. Es handelt sich hierbei um von den Mitarbeitenden selbst initiierte Anstrengungen ihre Arbeit und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, um ihr Wohlbefinden und ihre psychische Gesundheit zu fördern. Der Grundgedanke ist, dass durch einfache, bewusste Änderungen einiger Aspekte der Arbeit eine bessere Passung mit wichtigen Quellen von Wohlbefinden und Motivation hergestellt werden kann

Unabhängig davon, ob Sie selbst Ihre eigene Arbeit umgestalten oder Patient*innen beraten, wie sie Job Crafting durchführen können, die Forschung zeigt, dass es mehrere nützliche Möglichkeiten gibt, die eigene Arbeit durch Job Crafting zu verändern. Eine Option besteht darin, neue Dinge zu lernen und sich beruflich weiterzuentwickeln. Wenn ich zum Beispiel regelmäßig mit Patient*innen in Kontakt bin und Verständnisschwierigkeiten bestehen, könnte es die Kommunikation bereichern und meiner täglichen Arbeit einen Sinn geben, wenn ich eine Art von Sprache lerne, die meine Patient*innen verstehen und verwenden können.

Wie setzt man Job Crafting ein? 

Neue herausfordernde Projekte zu finden und neue Arbeitsweisen auszuprobieren, kann auch übermäßiger Routinisierung und Langeweile am Arbeitsplatz entgegenwirken. Dies kann beispielsweise geschehen, indem man sich zurückerinnert, was an der eigenen Arbeit anfangs interessant und motivierend war. Vielleicht besteht die Möglichkeit, freiwillig als Erstes eine neue Software zu testen, die später in der gesamten Organisation eingeführt werden soll. Wenn man etwas freiwillig tut bevor es verpflichtend wird, kann das dazu führen, dass der Aufwand als angenehmer und belohnender in Bezug auf die eigene berufliche Kompetenz empfunden wird.

Die Förderung sozialer Ressourcen durch Veränderung der Häufigkeit und Qualität der Interaktionen mit Kolleg*innen und Interessensgruppen (z. B. Kund*innen, Patient*innen) kann ebenfalls zu einem besseren Wohlbefinden und mehr Sinnhaftigkeit bei der Arbeit führen. Wenn ich beispielsweise gerne mehr Rückmeldung von meiner vorgesetzten Person hätte, könnte ich aktiv um eine solche Rückmeldung bitten. Als vorgesetzte Person könnte ich besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen, Interesse zeigen und häufiger nachfragen, wie es ihnen geht. Soziale Ressourcen können auch im alltäglichen Umgang mit Kolleg*innen gefördert werden, indem man beispielsweise auf andere Rücksicht nimmt, nach ihrem Befinden fragt und sich über nicht arbeitsbezogene Themen unterhält.

Was sind die Vorteile? 

Darüber hinaus kann die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit dadurch gefördert werden, indem man sich den Wert der geleisteten Arbeit für andere in Erinnerung ruft, beispielsweise für Patient*innen, Kolleg*innen oder die Gesellschaft allgemein. Wenn eine Person während der Pandemie Frustration und Unzulänglichkeit bei der Arbeit empfunden hat, sich aber auch das Positive bewusst gemacht hat, welches in dieser anspruchsvollen Zeit erreicht wurde, anstatt sich nur auf die nicht erreichten Aspekte zu konzentrieren, kann dies ein Gefühl von Engagement und Sinn bei der Arbeit vermitteln.

Obwohl Job Crafting in der Regel von Einzelpersonen ausgeführt wird, können auch Arbeitsteams gemeinsam Stärken ermitteln, ihre individuellen Aufgaben gestalten und zusammen eine optimale Funktionsweise als Team finden. Indem sie, einschließlich vorgesetzter Personen und Mitarbeitenden, neue Wege der gegenseitigen Unterstützung kreieren, kann das Team widerstandsfähiger werden und so das Wohlbefinden der Teammitglieder auch in schwierigen Zeiten aufrechterhalten.

Diese Beispiele von Job Crafting sind praktisch und für viele machbar, um die eigenen Arbeitsbedingungen und damit das eigene Wohlbefinden zu verbessern. Das kumulierte Forschungswissen aus der Arbeits- und Organisationspsychologie deutet darauf hin, dass es möglich ist, durch die Gestaltung der eigenen Arbeitsaufgaben, der Art und Weise, wie die Arbeit erledigt wird, und der sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz die eigenen Arbeitsbedingungen und damit das eigene Wohlbefinden und die psychische Gesundheit zu verbessern. Job Crafting ist sogar bei sehr anspruchsvollen Arbeitsbedingungen möglich und kann die negativen Auswirkungen von hoher Arbeitsbelastung und emotionaler Anforderungen auf das Wohlbefinden der Arbeitnehmer*innen abmildern. Während das primäre Ziel von Job Crafting die Verbesserung des Wohlbefindens bei der Arbeit ist, wird Job Crafting auch mit anderen wertvollen Auswirkungen wie erhöhte Effektivität und organisatorisches Engagement als positive Nebeneffekte in Verbindung gebracht. Durch die Unterstützung alltäglicher Führungsaufgaben und proaktiver Arbeitsgestaltung können Mitarbeitende gesunde, sinnvolle und produktive Arbeitserfahrungen im Gesundheitswesen und darüber hinaus machen.

Praktische Empfehlungen 

  • Was mache ich eigentlich bei meiner Arbeit? Beginnen Sie Job Crafting damit, dass Sie alle Ihre wichtigen und weniger wichtigen Aufgaben und die Menschen, mit denen Sie bei der Arbeit zu tun haben, auflisten. So erhalten Sie einen Überblick über Ihre derzeitige Tätigkeit und einen Ausgangspunkt für deren Gestaltung. 
  • Was inspiriert mich? Kreuzen Sie auf dieser Liste die Aufgaben, Arbeitsweisen, Interaktionen und Menschen an, bei denen Sie bei der Arbeit am meisten Inspiration, Engagement und Belohnung empfinden, unabhängig davon, wie groß oder klein deren Rolle derzeit bei Ihrer Arbeit ist.
  • Wie kann ich die inspirierenden Aspekte meiner Arbeit verstärken? Wählen Sie aus diesen markierten Aspekten ein bis drei der inspirierendsten aus, auf die Sie sich konzentrieren möchten. Machen Sie sich dann Gedanken darüber, wie Sie mehr von diesen Elementen in Ihre Arbeit einbringen können. Wäre es beispielsweise sinnvoll, mehr Kontakt zu Ihren Kolleg*innen zu haben, neue Arbeitsmethoden auszuprobieren oder eine neue Fähigkeit zu erlernen?
  • Was soll wann geändert werden? Planen Sie! Machen Sie einen konkreten Plan für die Dinge, die Sie ändern oder anders machen wollen. Wie und wann werden Sie den Plan in die Tat umsetzen und wie werden Sie den Fortschritt Ihres persönlichen Job-Crafting-Projekts verfolgen? 
  • Fangen Sie klein an. Alte Routinen, Zeitnot und Eile können es schwierig machen, neue Arbeitsweisen durch Job Crafting zu erlernen. Seien Sie geduldig! Es braucht Zeit, die Arbeit grundlegend zu verändern und ein Beginn mit kleinen Verbesserungen kann Ihnen helfen, Ihre Effektivität als Job Crafter zu steigern.

Übersetzt von Bianca Bürli und Dr. Theresa Pauly