Von Gozde Ozakinci, University of Stirling
Krebs wird oft mit erschreckenden Statistiken in Verbindung gebracht. Zum Beispiel mit der Aussage: „Einer von zwei Menschen wird im Laufe seines Lebens an irgendeiner Form von Krebs erkranken.“ Aber es gibt auch ermutigende Entwicklungen, die darauf hinweisen, dass sich die Überlebensraten bei Krebs verbessern. Statistiken aus dem Jahr 2018 zeigen, dass es weltweit fast 44 Millionen Menschen gibt, die eine Krebsdiagnose und -behandlung überlebt haben. Diese Nachricht ist für diejenigen, die eine Krebsdiagnose und -behandlung durchgemacht haben, von großer Bedeutung.
Die Verbesserung der Überlebensraten bedeutet auch, dass immer mehr Menschen mit den Folgen einer Krebsbehandlung leben. Eine dieser Folgen ist die Angst davor, dass der Krebs zurückkehrt. In der Fachliteratur wird dies als „Angst oder Sorge in Bezug auf die Möglichkeit, dass der Krebs zurückkehrt oder fortschreitet“ definiert und gilt weithin als eines der bedeutendsten Probleme, das die Lebensqualität von Menschen nach einer Krebsdiagnose beeinträchtigt.
Wie häufig ist diese Angst?
Die Beantwortung dieser Frage ist nicht einfach, da verschiedene Studien unterschiedliche Messinstrumente verwendet haben. Eine systematische Übersicht von 130 Studien zeigte, dass im Durchschnitt 49 % der Betroffenen, je nach Krebsart und Messinstrument, moderate bis starke Angst und 7 % eine starke Angst vor einem Rückfall (FCR – Fear of Cancer Recurrence) aufwiesen. Eine neuere Meta-Analyse berichtete, dass eine*r von fünf Krebsüberlebenden und -patient*innen starke Ängste vor einem Rückfall erlebten und daher spezialisierte psychologische Unterstützung bräuchten. Außerdem zeigen diese Studien, dass diese Ängste im Laufe der Zeit nicht verschwinden. Frauen, jüngere Menschen und Personen mit niedrigerem Bildungsstand haben tendenziell eine höhere Angst vor einem Krebsrückfall. Ein weiterer wichtiger Faktor, der mit diesen Ängsten in Verbindung steht, ist das Erleben körperlicher Symptome, die als Anzeichen für eine Rückkehr des Krebses interpretiert werden können.
Wie hängen diese Ängste mit dem psychischen Wohlbefinden zusammen?
Krebsüberlebende identifizieren diese Ängste als Hauptanliegen oder eines ihrer fünf größten Sorgen. Nicht nur sind diese Ängste für sie ein zentrales Thema, sondern bis zu 79 % berichten auch, dass dies eines ihrer am meisten unerfüllten Bedürfnisse darstellt. Es wurde festgestellt, dass Ängste vor einem Krebsrückfall mit einer geringeren Lebensqualität, erhöhter Angst, Depressionen und Belastungen verbunden sind. Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine höhere Angst vor einem Krebsrückfall mit einer erhöhten Inanspruchnahme des Gesundheitswesens einhergeht.
Obwohl der Großteil der Forschung mit Krebsüberlebenden durchgeführt wurde, zeigt eine aktuelle Übersichtsarbeit, dass auch bei den Angehörigen Ängste vor einem Krebsrückfall ein Problem darstellen, wobei 48 % von einem Angstniveau berichten, das auf einen Bedarf an psychologischer Unterstützung hinweist. Eine weitere Übersichtsarbeit zeigte, dass die Ängste der Angehörigen ebenso hoch sein können wie die der Überlebenden, wenn nicht sogar höher, und dass die Ängste der Angehörigen mit einer schlechteren Lebensqualität sowohl der Angehörigen als auch der Überlebenden einhergehen.
Was sind die Anzeichen von klinischer Angst vor einem Krebsrückfall?
Es ist klar, dass die Angst vor einem Krebsrückfall ein multidimensionales Phänomen ist. Eine Expert*innenkonsensstudie schlug die folgenden Schlüsselmerkmale klinischer Krebsrückfall Ängste vor: 1) Hohe Beschäftigung mit dem Thema; 2) Hohe Sorgenintensität; 3) Beständigkeit; und 4) Hypervigilanz in Bezug auf körperliche Symptome.
Wie messen wir diese Ängste?
Eine frühe Übersichtsarbeit über Messinstrumente für die Angst vor einem Krebsrückfall identifizierte 20 Skalen, und eine spätere Übersichtsarbeit fand weitere acht Skalen. Es wurden Versuche unternommen, einen klinischen Schwellenwert zu etablieren, um diejenigen zu identifizieren, die psychologische Unterstützung benötigen. Das „Fear of Cancer Recurrence Inventory“ ist ein 42-Item-Instrument, das eine detaillierte Bewertung dieser Ängste ermöglicht. Es enthält mehrere Subskalen, wobei die 9-Item-Subskala zur Schwere der Ängste weit verbreitet ist und einen Schwellenwert aufweist, der diejenigen identifiziert, die psychologische Unterstützung benötigen (≥22). Skalen wie FCR4 und FCR7 werden ebenfalls als kürzere Messinstrumente verwendet, inklusive vorgeschlagenen Prozenträngen zur Identifizierung von Personen mit moderaten und starken Ängsten. Um das Screening dieser Ängste zu erleichtern, wurde auch eine 1-Item-Skala vorgeschlagen.
Was sind effektive Möglichkeiten, um Krebspatient*innen bei diesen Ängsten zu unterstützen?
Eine Meta-Analyse psychologischer Interventionen zur Angst vor einem Krebsrückfall zeigte, dass diese am Ende der Intervention einen kleinen, aber robusten Effekt haben, der weitgehend bis zum Follow-up anhält. Kognitive Verhaltenstherapien, die sich auf Gedankenprozesse wie Grübeln und weniger auf den Inhalt konzentrieren und darauf abzielen, die Beziehung der Person zu ihren inneren Erfahrungen zu verändern, hatten größere Effekte.
Praktische Empfehlungen:
- Erleichtern Sie das Gespräch über Ängste: Einige Patient*innen möchten möglicherweise nicht mit ihrem Gesundheitsdienstleister über ihre Ängste sprechen, weil sie nicht undankbar wirken wollen. Solche Gespräche zu beginnen, kann jedoch für die Patient*innen sehr hilfreich sein, um weitere Unterstützung zu ermöglichen. Die Validierung dieser Ängste kann für Krebspatient*innen von großem Nutzen sein.
- Geben Sie Informationen über Krebsanzeichen: Wenn besprochen wird, was mögliche Anzeichen für Krebs sind, die einen Arztbesuch erforderlich machen, kann dies Gelegenheiten bieten, Mythen über Krebssymptome zu entkräften.
- Vergessen Sie die Angehörigen nicht: Während der Fokus auf den Krebspatient*innen und -überlebenden wichtig ist, müssen sich Gesundheitsfachkräfte bewusst sein, dass auch Angehörige hohe Ängste vor einem Rückfall ihrer Liebsten erleben und möglicherweise Unterstützung benötigen.
- Screening allein reicht nicht: Auch wenn das Screening auf diese Ängste hilfreich ist, muss sichergestellt werden, dass geeignete psychologische Unterstützung für Patient*innen und Angehörige angeboten werden kann.
- Achten Sie auf Anzeichen von Angst: Frühe Anzeichen von Angst und Veränderungen des Angstniveaus stehen im Zusammenhang mit späteren Zunahmen der Angst vor einem Krebsrückfall im ersten Behandlungsjahr. Überwachen Sie die Anzeichen von Angst und bieten Sie Unterstützung an, um eine weitere Eskalation dieser Ängste zu verhindern.
[Übersetzt von Bianca Bürli und Dr. Theresa Pauly]