Von Dr. Lee Shepherd, Northumbria University, GB und Professor Ronan E. O’Carroll, University of Stirling, GB und Professor Eamonn Ferguson, University of Nottingham, GB
Es gibt zahlreiche Geschichten darüber, wie die Transplantation von Organen verstorbener Menschen das Leben anderer Menschen gerettet hat. Tatsächlich kann jede*r verstorbene Organspender*in das Leben von bis zu neun Menschen verändern. Es stehen jedoch zu wenige Organe für die Transplantation zur Verfügung. Dieser Mangel führt zu langen Wartelisten und dazu, dass Menschen sterben, bevor sie ein Organ erhalten. Aus diesem Grund ist es wichtig zu verstehen, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, dass jemand seine Organe spendet, wenn er*sie stirbt.
Gesetzgebung zur Zustimmung
Je nach Land gelten unterschiedliche Rechtsvorschriften für die Zustimmung zur Organspende.
Opt-in-Zustimmung – Bei der Opt-in-Zustimmung wird standardmäßig davon ausgegangen, dass man nicht spenden möchte. Personen müssen aktiv werden (z. B. sich registrieren lassen), um ihre Bereitschaft zur Organspende nach ihrem Tod zu zeigen.
Opt-out-Zustimmung – Bei der Opt-out-Zustimmung müssen Personen aktiv werden, um zu zeigen, dass sie nicht möchten, dass ihre Organe nach ihrem Tod transplantiert werden. Zum Beispiel kann man sich als Nicht-Spender*in registrieren lassen oder den Angehörigen seine Wünsche mitteilen. Einige Opt-out-Systeme verfügen auch über ein Opt-in-Register, in dem sich Menschen aktiv als Organspender*in registrieren lassen können. Bei allen, die nicht angegeben haben, dass sie nicht spenden wollen, wird davon ausgegangen, dass sie die Spende unterstützen. In Soft-Opt-out-Systemen werden dann die Familienmitglieder gefragt, ob sie einer Organtransplantation zustimmen. Im Gegensatz dazu kann bei Hard-Opt-out-Systemen die Transplantation ohne die Zustimmung der Familie erfolgen.
Einige Untersuchungen, darunter auch unsere eigene, haben herausgefunden, dass die Quote der Organspenden von Verstorbenen in Opt-out-Systemen höher ist als in Opt-in-Systemen. Jedoch gibt es auch einige Untersuchungen, die dies nicht festgestellt haben. In Systemen mit Opt-out-Zustimmung gibt es immer noch Wartelisten für Organe. Außerdem sind die Lebendspenderraten auch in Opt-out-Systemen niedriger als in Opt-in-Systemen. Zudem könnten Menschen in Opt-out-Systemen das Gefühl haben, dass der Staat ihre Organe kontrolliert. Das bedeutet, dass die Opt-out-Gesetzgebung alleine das Problem des Organspendemangels wahrscheinlich nicht lösen wird.
Die Rolle der Familie
Familienangehörige werden oft gefragt, ob die Organe des*der Verstorbenen transplantiert werden können oder nicht. Dies ist besonders bei Soft-Opt-out-Systemen wichtig. Die registrierten Wünsche des*der Verstorbenen helfen den Familienmitgliedern bei der Entscheidung, ob sie einer Transplantation zustimmen wollen oder nicht. Wenn der*die Verstorbene jedoch seine*ihre Wünsche nicht registriert oder mit den Angehörigen nicht besprochen hat, kann es für die Familie sehr schwierig sein, eine Entscheidung zu treffen. Selbst bei einer Opt-out-Systemen stimmen Familienangehörige einer Transplantation eher zu, wenn der*die Verstorbene aktiv seine*ihre Zustimmung gegeben hat , als wenn er*sie keine Entscheidung getroffen hat. Menschen dazu zu ermutigt, eine Entscheidung zu dokumentieren, wird den Familienmitgliedern ihre Wünsche klar machen. Dies könnte die Anzahl potenzieller Spender erhöhen.
Faktoren, die die Registrierung vorhersagen
Zahlreiche Faktoren beeinflussen die Entscheidung zur Registrierung zur Organspende. Unter anderem sagen demografische Faktoren die Registrierung voraus. Im Vereinigten Königreich sind beispielsweise ethnische Minderheiten seltener für eine Opt-in Zustimmung und eher für eine Opt-out Zustimmung bereit. Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt besteht darin, die Gründe dafür besser zu verstehen. Nicht nur demografische, sondern auch soziale Faktoren beeinflussen die Registrierung. Beispielsweise zeigt der “lone-wolf-Effekt”, dass Menschen sich eher gegen eine Organspende entscheiden, wenn sie andere dabei beobachtet haben. Darüber hinaus wird die Registrierung auch durch emotionale Überzeugungen gegenüber der Organspende beeinflusst. Beispielsweise ergab eine Studie, dass die Wahrscheinlichkeit, sich als Spender*in registrieren zu lassen, geringer ist, wenn man beim Gedanken an eine Spende Ekel empfindet (Ekelfaktor) und der Meinung ist, dass der Körper unversehrt bleiben sollte (körperliche Unversehrtheit). Dieselbe Untersuchung zeigte ausserdem, dass die Wahrscheinlichkeit, sich als Spender*in registrieren zu lassen, größer ist, wenn die Spende als vorteilhaft angesehen wird (z. B. dass eine Spende Leben rettet; wahrgenommener Nutzen). Manchmal besteht eine Diskrepanz zwischen der Bereitschaft zu einer Handlung und dem tatsächlichen Verhalten. So kann es vorkommen, dass Menschen sich für eine Spende entscheiden, diese Entscheidung aber dennoch nicht registrieren. Die Förderung positiverer Emotionen gegenüber der Organspende könnte Menschen, die bereit sind zu spenden, unterstützen aktiv zu werden und sich im Organspenderegister einzutragen.
Bei der kognitiven Neubewertung geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, positiver über ein Thema zu denken, um dadurch ihre Emotionen entsprechend zu verändern. In einer kürzlich durchgeführten Studie haben wir Menschen, die noch keine Entscheidung bezüglich einer Organspende getroffen hatten, gebeten eine kognitive Neubewertung vorzunehmen. Dabei sollten sie die Vorteile einer Spende in Betracht ziehen, wie beispielsweise die Rettung von Leben oder die Bedeutung, die die Spende dem Tod eines geliebten Menschen verleihen kann. Wir konnten feststellen, dass diese kognitive Neubewertung die Bereitschaft zur Registrierung als Spender*in erhöht. Eine gesteigerte Bereitschaft zur Registrierung führt dann auch eher dazu, dass man sich tatsächlich registriert.
Praktische Empfehlungen
- Gesetzgebung – Es gibt gemischte Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Einführung eines Opt-out-Systems zur Verbesserung der Organtransplantationsraten. Länder mit Opt-out-Gesetzgebung haben weiterhin Wartelisten für Organtransplantationen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass das Opt-out-System allein das Problem des Mangels an Organspender*innen lösen kann.
- Registrierung der Wünsche Verstorbener zu Lebzeiten – Familienmitglieder werden von den registrierten Wünschen des*der Verstorbenen beeinflusst. Daher ist es wichtig, dass Familienmitglieder die Wünsche des*der Verstorbenen genau kennen. In einigen Ländern kann man sich sowohl registrieren lassen, wenn man Spender*in sein möchte (d. h. Opt-in), als auch, wenn man Nicht-Spender*in sein möchte (d. h. Opt-out). Auf diese Weise werden die Wünsche des*der Verstorbenen für die Familienangehörigen deutlich, die möglicherweise entscheiden müssen, ob die Organe des*der Verstorbenen transplantiert werden können oder nicht. Dies könnte den Familienmitgliedern helfen, solch eine Entscheidung zu treffen.
- Emotionen – Emotionen beeinflussen die Entscheidung, ob man sich als Organspender*in registrieren lässt oder nicht. Negative emotionale Überzeugungen gegenüber der Organspende verringern die Wahrscheinlichkeit, sich als Spender*in zu registrieren, während positive emotionale Überzeugungen diese erhöhen. Dies bedeutet, dass wir möglicherweise überdenken müssen, wie wir über Organspende sprechen. Die Fokussierung unserer Diskussionen auf die Vorteile der Organspende (z.B. Organspende rettet Leben, Organspende gibt dem Tod eines geliebten Menschen Bedeutung) könnte dazu beitragen, Menschen zu ermutigen, sich als Organspender*in zu registrieren.
Übersetzt von Karoline Villinger, Bianca Bürli