Körperliche Aktivität im höheren Alter: Wie viel ist genug?

von Anne Tiedemann, The University of Sydney, Australien

“Mangelnde Aktivität zerstört den guten Zustand jedes Menschen, während Bewegung und methodische körperliche Aktivität ihn retten und bewahren”… Plato, 400 v.Chr.

Seit langem ist bekannt, dass regelmässige körperliche Aktivität wichtig für unsere Gesundheit und das Wohlbefinden ist. Die Gesundheitsförderung richtet sich aber oft nur an Kinder und junge Personen, wobei die Wichtigkeit der körperlichen Aktivität bei Personen über 65 Jahren weniger im Fokus ist. Das hohe Alter ist jedoch eine entscheidende Zeit, um Aktivität in den Alltag zu integrieren. 

Die globalen Empfehlungen der WHO zur körperlichen Aktivität für die Gesundheit raten, dass Personen ab 65 Jahren pro Woche mindestens 150 Minuten körperliche Aktivität bei mittlerer Intensität oder mindestens 75 Minuten körperliche Aktivität bei hoher Intensität durchführen sollten, oder eine vergleichbare Kombination davon. Es wird auch empfohlen, dass ältere Erwachsene an drei oder mehr Tagen pro Woche körperliche Aktivitäten durchführen, die das Gleichgewicht verbessern und Stürze verhindern, und an zwei oder mehr Tagen pro Woche muskelstärkende Aktivitäten ausführen sollten. Trotz klarer Empfehlungen zur Menge an körperlicher Aktivität, die mit einer verbesserten Gesundheit zusammenhängt, ist rund ein Drittel der Weltbevölkerung körperlich inaktiv, wobei die älteren Personen am inaktivsten sind.

Es ist wichtig anzumerken, dass es besser ist etwas zu tun als nichts, auch wenn man die   empfohlene Menge der Richtlinien nicht ganz erreichen kann. Körperliche Aktivität kann eine Reihe von Aktivitätstypen umfassen, von strukturierten Trainingskursen, über aktive Fortbewegung bis hin zu Gartenarbeit und Haushaltspflege. Klein anzufangen und die Menge und Intensität der Aktivität langsam aufzubauen, sowie eine Aktivität zu wählen die Freude macht, ist der beste Weg zu starten. Für diejenigen, die bereits intensivere Aktivitäten wie Laufen, Rudern oder Radfahren ausüben, ist das Altern kein Grund, aufzuhören, solange es die Gesundheit erlaubt.

Stürze sind im hohen Lebensalter ein häufiges Problem, wobei etwa eine von drei Personen im Alter von 65 und mehr Jahren jedes Jahr stürzt. Stürze haben oft dauerhafte und verheerende Folgen für eine ältere Person und deren Familie, und können dazu führen, dass die ältere Person in eine betreute Wohn- oder Pflegeeinrichtung wechseln muss. Stürze sind nicht unausweichlich und können durch regelmässige Bewegung, die das Gleichgewicht fördert wie beispielsweise Tandemgehen oder sogenannte wiederholte “vom-Sitzen-ins-Stehen“ (engl. Sit-to-Stand) Übungen, verhindert werden. 

Ältere Personen stehen vor besonderen Hindernissen, um körperlich aktiver zu werden – diese können finanzieller, körperlicher, sozialer oder praktischer Natur sein. Einige ältere Erwachsene finden elektronische Geräte, die die tägliche körperliche Aktivität verfolgen, nützlich um sie daran zu erinnern und zu motivieren aktiver zu sein. 

Einige Personen benötigen mehr Unterstützung, um auf Kurs zu bleiben und ihre Ziele im Bereich der körperlichen Aktivität zu erreichen. Gesundheitscoaching ist ein personenzentrierter Ansatz, der häufig Techniken des motivationalen Interviews und lösungsorientierte Zielsetzung als Strategien zur Förderung einer Verhaltensänderung beinhaltet. Ein kürzlich veröffentlichter systematischer Überblicksartikel, der die Wirkung von Gesundheitscoaching auf die körperliche Aktivität von Personen im Alter von 60 oder mehr Jahren untersuchte, zeigte, dass mit diesem Ansatz signifikante Verbesserungen in der körperlichen Aktivität erreicht werden können.

Eine weitere Strategie, die körperliche Aktivität zu fördern, ist die Zielsetzung. Ziele schaffen ein Gefühl der Dringlichkeit und Motivation, Zeit und Energie zu investieren, um die gewünschte Veränderung zu erreichen. Um die Effektivität zu maximieren, sollten die Ziele selbstgesteuert sein und die S.M.A.R.T.-Kriterien erfüllen: Spezifisch (Specific), messbar (Measurable), realisierbar (Attainable), relevant (Relevant) und zeitnah (Timely). 

Der soziale Nutzen der körperlichen Aktivität ist für ältere Personen oft besonders wichtig. Es gibt viele Möglichkeiten in organisierten Gruppen zu trainieren, wenn man das vorzieht. Viele Gemeinden organisieren kostenlose Spazier- oder Wandergruppen – das ist eine Möglichkeit, auf spielerische und gesellige Weise aktiv zu bleiben. Oder für eine etwas grössere Herausforderung: Parkrun ist ein kostenloses, wöchentliches 5 km langes Lauf- (oder Walking-) Ereignis an mehr als 1.700 Orten auf der ganzen Welt.

Für jedes Alter ist die Botschaft zur körperlichen Aktivität ganz einfach: Sei so aktiv wie möglich, auf so viele Arten wie möglich und so oft du kannst. Etwas zu tun ist besser als nichts zu tun, und jedes bisschen zählt für eine bessere Gesundheit.

Praktische Empfehlungen

  1. Machen Sie körperliche Aktivität zu einem Teil jedes Präventions-/Behandlungsplans, um die Gesundheit und das Wohlbefinden zu maximieren.
  2. Helfen Sie Patienten und Patientinnen, Bewegung als eine Möglichkeit zur Förderung der Gesundheit und nicht als eine Unannehmlichkeit zu sehen. Schlagen Sie beispielsweise vor, die Treppe statt des Aufzugs zu nehmen oder wenn möglich zu Fuss zu den Geschäften zu gehen, anstatt mit dem Auto zu fahren.
  3. Ältere Erwachsene, die erst seit kurzem körperlich aktiv sind, sollten ermutigt werden, etwas zu wählen, das ihnen Spass macht. Sie sollten klein starten und die Dauer und Intensität im Laufe der Zeit aufbauen.
  4. Übungen, die im Stehen durchgeführt werden und speziell das Gleichgewicht fördern, sind am effektivsten, um das Risiko von Stürzen im Alter zu reduzieren.
  5. Empfehlen Sie Zielsetzung, Aktivitäts-Tracker und/oder Gesundheitscoaching, um älteren Personen zu helfen, ihre körperliche Aktivität zu erhöhen und aufrechtzuerhalten. 

Übersetzt von Dr. Corina Berli und Laila Susin